Die Spagyrik ist eine alternative Therapieform
mit jahrhundertealter Tradition und reicht zurück bis in die Antike. Paracelsus, durch den das Wort Spagyrik in den heilkünstlerischen Sprachschatz einging, gilt als bedeutendster Anwender spagyrischer Mittel im ausgehenden Mittelalter. Er knüpfte an eine hermetische Tradition an, die mit Hermes Trismegistos begann. Er gebrauchte die Worte „Alchymie“ und „Spagyrik“ synonym und verstand unter „Alchymie“ (=Spagyrik) die Kunst des Lösens und Bindens, des Trennen und Wiederzusammenfügens.
Das Wort spagyrisch stammt aus dem Griechischen und ist aus dem Wort „Spao“ für trennen, lösen, scheiden sowie „Ageiro“ für binden und vereinen zusammengefügt. Daher nannten sich die Vertreter des spagyrischen Heilsystems im Mittelalter oft scheidekünstige Ärzte. Aber auch die Alchemisten nannten sich Spagyriker, da im alchemistischen Prozess zur Herstellung des Steins der Weisen ebenfalls das Reine vom Unreinen, das Wasser von der Erde usw. geschieden wurde.
Nach Ansicht der Spagyriker
enthält jede Substanz ein reines und gutes und ein dem widerstrebendes feindliches Prinzip. Diese Erkenntnis veranlasste die Spagyriker durch ein geeignetes Verfahren das Gute vom Bösen, das Grobe vom Feinen, das Geistige vom Materiellen, das Heilsame vom Gift zu trennen oder zu scheiden. Diese Scheidekunst nannte man die Ars spagyrica. Hierunter versteht man eine spezifische Methode der Aufbereitung pflanzlicher und mineralischer Substanzen durch Gärung, Destillation, Veraschung, Extraktion und Filtration. Dabei wird die Ausgangssubstanz zunächst in diverse Bestandteile geteilt und dabei das Wertvolle vom Nutzlosen getrennt. Durch eine Art Neukomposition werden die aufgeschlossenen Bestandteile wieder vereint.
Das System der Spagyrik hat somit zum Ziel, das gute, aufbauende, heilende und kraftspendende Prinzip einer jeden Pflanze oder Substanz, die zu Heilzwecken genommen werden soll, von dem bösen, zerstörenden, krankmachenden, dem Gift zu trennen und wenn möglich durch Veredelung zu erhöhen. Diese so entstehenden spagyrischen Mittel enthalten die kräftigsten Substanzen in veredelter Form und sind somit therapeutisch heilkräftiger als das Ausgangsmaterial. Sie können vom Körper leicht aufgenommen werden, da sie von Giftstoffen befreit wurden. Sie beeinflussen nicht nur die körperliche, sondern auch die geistige und seelische Ebene.
Grundsätzlich können alle Pflanzen,
jedoch auch Salze und Metalle spagyrisch aufbereitet werden.
Die spagyrischen Heilmittel werden meist als Urtinkturen, in besonderen Fällen auch potenziert eingesetzt und als Einzelmittel oder sogenannte Komplexmittel angeboten.
In jedem Ding ist eine Essenz und ein Gift. Essentia ist das, was den Menschen am Leben erhält, Gift ist das, was ihm Krankheit zufügt. Doch für das Unvollkommene, das wir zu unserem Schaden gebrauchen müssen, hat Gott uns einen Alchimisten gegeben, damit wir das Gift, das wir mit dem Guten einnehmen, nicht als Gift verzehren, sondern von dem Guten scheiden können.“ (ASCHNER, Band 1, S. 25)
Quellen und Verweise
ASCHNER, Bernhard: PARACELSUS. Sämtliche Werke in vier Bänden. Jena 1926.
FRITSCHI, Hans-Josef: Spagyrik. Lehr- und Arbeitsbuch. Ulm – Stuttgart – Jena – Lübeck 1997.
MÜLLER, Carl: Hausmitteilungen der Chem.-pharmazeutischen Fabrik Göppingen, Göppingen 1940.
MÜLLER, Carl: Zeitschrift für Spagyrik, Göppingen 1959.
RIPPE, Olaf/ MADEJESKY, Margret/ AMANN, Max/ OCHSNER, Patricia/ RÄTSCH, Christian: Paracelsusmedizin. Altes Wissen in der Heilkunst von heute. Philosophie – Astrologie – Alchimie – Therapiekonzepte. Aarau 2001.
SURYA, G. W.: Die Spagyriker: Paracelsus – Rademacher – Zimpel. Berlin 1923.
ZIMPEL, Ch. F.: Dr. Zimpels Heilsystem. Göppingen 1913.