Goldmann Arkana, 318 Seiten, 19,95 €
Schmerzen kennt jeder. Deren Ursachen sind vielfältig. Schmerzen haben eine Signal- und Warnfunktion. Meistens sind Schmerzen vorübergehend und verschwinden, wenn ihre Ursache behoben ist. Doch sie können auch bleiben, weil ihre Ursache nicht behoben werden kann, und sie vermögen dann das Leben buchstäblich zur Hölle zu machen. Dann helfen oft noch nicht einmal starke Schmerzmittel, die Schmerzen komplett und längerfristig zu unterdrücken oder gar verschwinden zu lassen.
Häufig kommen zu den auslaugenden körperlichen auch noch seelische Schmerzen hinzu, ausgelöst etwa durch die Frage nach dem „Warum“ oder verschärft durch das Wissen, dass diese Schmerzen ein Leben lang bleiben könnten – was wiederum dazu führen kann, die bereits bestehenden Schmerzen zu verstärken. Ein Teufelskreis, aus dem es anscheinend kaum ein Entrinnen gibt.
Vidyamala Burch, die Autorin von „Gut leben trotz Schmerz und Krankheit“ weiß um die geradezu überwältigende Macht von Schmerzen und kennt, so scheint es bei der Lektüre, auch alle Tricks, ihnen ausweichen zu wollen. Sie ist seit ihrem 16. Lebensjahr von chronischen Rückenschmerzen geplagt, da ihre Wirbelsäule instabil ist und früh schon mehrmals operiert wurde. Als Vidyamala Burch Anfang 20 war, wurde sie Opfer eines schweren Verkehrsunfalls, bei dem ihre ohnehin geschädigte Wirbelsäule an mehreren Wirbeln brach. Mittlerweile sitzt die Autorin im Rollstuhl und blickt auf inzwischen dreißig Jahre chronischer und starker Schmerzen zurück. Sie weiß, wie sehr Schmerzen erschöpfen und auslaugen können, sie kennt die Wut, die sich einstellen kann, wenn man sich in seinem schmerzenden Körper gefangen fühlt und den Kummer, der dadurch ebenfalls ausgelöst werden kann.
Sie gründete daher 2004 das Selbsthilfe-Netzwerk „breathworks“, das auch eine Niederlassung in Deutschland hat. Diese gemeinnützige Organisation unterstützt Menschen, die unter chronischen Schmerzen leiden und mit Krankheit leben, durch das Vermitteln achtsamkeitsbasierter Techniken, um ihnen Hilfe zur Selbsthilfe zu geben. Das Buch „Gut leben trotz Krankheit und Schmerz“ ist entstanden aus der Arbeit bei „breathworks“, es soll ein Arbeitsbuch sein und all denen helfen, die keinen Kurs bei „breathworks“ besuchen können. Es möchte allen, die das Leben mit Schmerzen als ständigen Kampf empfinden, helfen, Frieden zu schließen mit dem Schmerz.
Schon der Titel verrät, dass es bei dem Inhalt nicht um Kampf, Krieg oder kriegerische Strategien gegen Schmerzen geht, sondern darum, mit ihnen zu leben, leben zu lernen. Kein leichtes Thema! Denn, wie die Autorin schreibt, für „Menschen mit hartnäckigen Schmerzen heißt Achtsamkeit, sich in ihrem tiefsten Inneren mit den Aspekten ihrer Schmerzen abzufinden, die sich nicht vermeiden lassen und mit ihrem Leben Frieden zu schließen.“
Das Buch ist gegliedert in sechs Teile, darunter eine Einführung in das Thema „Schmerz“, wie er medizinisch beschrieben ist und wie er aus buddhistischer Sicht betrachtet wird. Einen wichtigen Teil des mitfühlend und gleichwohl direkt geschriebenen Buches bildet „Die Rückkehr in den Körper“. „Rückkehr“ deshalb, weil viele Schmerzgeplagte sich nichts lieber wünschen, als aus ihrem Körper fort zu sein, um die Schmerzen nicht spüren zu müssen; Meditation wird dabei durchaus als Fluchtweg benutzt. Paradoxerweise, wie es manchem scheinen mag, können dabei noch zusätzliche Spannungen entstehen, die sich wiederum verschärfend auf die Schmerzproblematik auswirken können. Um diese loszulassen, ist das wichtigste Mittel, im Körper anzukommen und sich ein Zuhause zu schaffen, durch … den Atem.
Vidyamala Burch beschreibt darum ausführlich, wie Atmen funktioniert, welche Muskeln daran beteiligt sind und wie die Atmung auf den gesamten Körper wirkt. Das ist wichtig, denn auf dem Wissen um das korrekte Atmen basiert ihr Konzept des Lebens mit dem Schmerz, das sie „breathworks“, etwa: „Atemarbeit“ nennt. Klingt simpel, doch man mache sich nichts vor: auch Atmen will gelernt sein. Nämlich das absichtslose Beobachten des Atems, das letztlich zur Entspannung führen kann.
Die beiden letzten und umfangreichsten Teile des hilfreichen Buches bilden eine Einführung in Meditation sowie Anregungen, das Gelernte in den Alltag zu integrieren. Hier zeigt sich eine weitere Stärke des Buches: die Autorin besteht nicht auf der einzig richtigen Weise des Sitzens, sondern ermutigt ihre Leserinnen und Leser, mit den verschiedenen Möglichkeiten zu experimentieren, die es gibt: immer dabei im Fokus behaltend, dass jeder Körper und jeder Schmerz unterschiedlich ist. Für die Autorin und viele andere chronisch schmerzgeplagte Teilnehmerinnen und Teilnehmer ihrer Kurse ist Meditation letztlich das, was ihnen am besten dabei hilft, mit dem Schmerz zu leben. Die Betonung liegt dabei auf „mit“. Oder, wie Burch schreibt: „Wir meditieren, um noch mehr im Körper zuhause zu sein und nutzen die Schmerzerfahrung, um Gleichmut zu lernen …“
Einschätzung der Redaktion des Reiki Magazin: Hervorragendes Fachbuch!
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